Auf auf nach Kiew!

Halli Hallo liebe Leute! 

 

Endlich komme ich dazu, mich mal wieder zu melden, Verrückt, denn es ist bereits April, aber dieser Bericht handelt vom Februar. 

Tut mir leid, aber in den letzten Wochen war ich durchgehend mit Bewerbungen beschäftigt, weil ich mich natürlich auch mal darum kümmern muss, wie es nach dem Jahr weitergeht. Ich bin sehr froh, jetzt alles abgesendet zu haben und an diesen Part einen Haken setzen zu können.  

Jetzt ist auch wieder zu Zeit für Blog schreiben. :) 

 

Im Februar sind wir zum ersten Mal richtig aus Odessa raus gekommen - unser Zwischenseminar stand an, welches in der Hauptstadt der Ukraine, Kiew, stattfand. Bei dem Seminar haben sich ca. 25 Freiwillige aus Armenien, Moldawien, Belarus, Kirgisien, Lettland und der Ukraine versammelt. Viele neue Gesichter und jeder bringt die verschiedensten Geschichten und Erlebnisse mit. Das sollte spannend werden....

 

HINFAHRT

Doch bereits die Hinfahrt sollte ein Erlebnis für sich werden. Wir waren 4 Freiwillige aus Odessa, die sich an einem Freitagabend nach der Arbeit mit einem ukrainischen Nachtzug auf den Weg nach Kiew machten. 

Eine ca 3 m^2 große Kabine mit vier Liegen und einem Minitisch dazwischen...das sollte unser Reich für die kommenden 13 Stunden sein. Ich fand es wirklich sehr chillig und gemütlich...natürlich eng, aber irgendwie war es entspannt. Abends haben wir uns noch viel unterhalten, dann ging es irgendwann schlafen (mehr oder weniger, weil der Zug wackelte und laut war) und am nächsten Morgen wurde uns von einer netten Zugbegleiterin ein schwarzer Tee serviert. Das Frühstück wurde noch perfekt gemacht, als eine Omi an einem Bahnhof ihre frisch gebackenen Brötchen verkaufte. Sie ist einfach am Bahnsteig entlang gelaufen und wir konnten aus der Zugtür direkt kaufen.

 

Irgendwie fand ich dieses Flair der kompletten Fahrt super.


KIEW

Da wir bereits morgens in der verschneiten Hauptstadt ankamen und das Seminar erst abends beginnen sollte, hatten wir noch den kompletten Tag Zeit, um uns schon mal die Stadt anzuschauen.

Kiew ist echt anders als Odessa. Zu allererst ist zu erwähnen, dass das Klima viel angenehmer ist-die Temperatur fiel zwar auf teilweise -20°C, aber ohne die Luftfeuchte vom Meer ist dies einfach viel besser erträglich. 

Weiterhin ist Kiew moderner und westlicher. Die Straßen sind super ausgebaut gewesen, es gibt eine Metro und man konnte sich auf Englisch verständigen. Dies kam uns wirklich zu Gute, weil sonst meist Ukrainisch gesprochen wird. Selbst wenn du auf Russisch sprichst, wird dir meist auf Ukrainisch geantwortet. Für Einheimische kein Problem, die können beide Sprachen - für mich schon. 

Weiterhin zieren das Stadtbild die großen sowjetischen Bauten und viele goldene Kuppeln von Kirchen. Echt beeindruckend. 

SEMINAR-GEMEINSCHAFT UNTER NUR DEUTSCHEN

Das Seminar begann für mich zu erst einmal mit einem kleinen Kulturschock. Deutschland. Ich habe nicht schlecht geschaut, als vor mir ein Junge zur Tür reingegangen ist und diese einfach gegen mich zurück fallen lassen hat. Ich war wirklich entsetzt und dann ist mir eingefallen, dass dies in Deutschland nicht zwingend üblich ist. An was man sich nicht in 6 Monaten alles so gewöhnt... ;) 

In einem anderen Punkt haben wir unsere Chance genutzt und die deutschen Jungs mal etwas unterrichtet - #interkulturellerAustausch ;) - Sachen tragen. So durfte uns beim Einkaufen immer mindestens ein Junge begleiten, der dann alle Tüten ins Hostel trägt.

Es war so heftig, plötzlich wieder nur unter Deutschen zu sein. Seine Muttersprache, seine Kultur. Jeder hat einen verstanden, nicht nur sprachlich, sondern vor allem auch kulturell. Wenn man geredet hat, wusste der Andere wie du es meinst. Man konnte sich entspannt unterhalten, auch mit Jungs, ohne darauf achten zu müssen, wie man sich verhält oder wie oft man dabei lächelt, weil es sonst gleich ein Flirt sein könnte. Wortwitze reißen...

Wir hatten wirklich eine geniale Gemeinschaft sowie sehr guten Austausch in den Seminareinheiten, in denen wir uns mit Eindrücken, Konfliktmanagement und weiteren Vorhaben beschäftigt haben.

Außerdem hatte jeder die Aufgabe, ein kleines Thema, das in Zusammenhang mit seinem Einsatzland steht, zu halten. Das war wirklich sehr interessant-so durften wir unser Wissen über Lettische Tänze, Moldawische Diaspora, Völkermord an den Armeniern, Sprachen in der Ukraine bis hin zum Brautraub in Kirgisien erweitern. Zum letzten ist zu sagen, dass dieses Thema heutzutage wirklich noch aktuell ist und die beiden Mädchen, die in Kirgisistan arbeiten, in ihrem Alltag davon auch schon mitbekommen haben. 

EINDRÜCKE 

Die Zeit in Kiew war für mich sehr intensiv und bereichernd. Zum einem, weil wir zwischen den Freiwilligen auch außerhalb der Seminareinheiten super Gespräche hatten. Es war cool, Leute um sich zu haben, die in ähnlichen Siuationen sind, wie du selbst.

Jeden Tag saßen wir noch bis spät in die Nacht zusammen und haben uns Geschichten aus unserem Freiwilligendienst erzählt - lustige und abenteuerliche, wenn man z.B. erfährt wie die Visumverlängerung in Kirgisien ablief. Bewegende, wenn von den Projekten berichtet wurde. So arbeiten zwei Mädchen in Belarus in einem Kinderhospiz. Diese Arbeit ist echt hart und geht einem sehr nah. Sowie erschreckende Geschichten, wie über den unterdrückenden Umgang mit Frauen in Armenien auf dem Dorf. 

Natürlich hatten wir auch viel Freizeit, wo wir z.B. an einem Tag ins Tschernobylmuseum gegangen sind. Skelette, von verkrüppelten Tieren und rote Tannenzweige. Sowie Bilder, von Familien, die dort einmal ganz normal lebten. 

Es gab auch die Möglichkeit eine Exkursion direkt in die Sperrzone zu machen, doch ich gab mich lieber nur mit der Bilderdiashow der anderen am Abend zufrieden. Berührend, zu sehen, wie dort alles zurückgelassen wurde. 

 

Das bewegendste für mich war jedoch immer noch der Maidan. Genau in den Tagen, wo wir in Kiew waren, wurde dort vor vier Jahren auf die friedlich protestierenden Menschen mit scharfen Waffen geschossen. Ich weiß nicht, wie gut ihr euch über die Maidan Proteste auskennt-hier mal kurz ein paar Gedanken.

2014 versammelten sich auf dem Maidan (Unabhängigkeitsplatz) viele Menschen, um den damaligen prorussischen Präsidenten Janukowitsch zum Rücktritt zu bewegen und sich für eine proeuropäische Regierung und für das Ende der Korruption einzusetzen. Sie schlugen ein großes Lager auf dem Unabhängigkeitsplatz auf und verbarrikardierten sich. Außerdem marschierten sie immer wieder in Richtung Regierungsviertel, friedlich, ohne Waffen. 

Die Proteste endeten mit 100 Toten und vielen Verletzten.

Wer sich interessiert, dem lege ich den Film "Winter on Fire: Ukraine's Fight for Freedom" ans Herz. Nichts für ganz schwache Nerven, aber sehr eindrücklich.

 

Genau an dem Ort zu stehen, wo vor nicht all zu langer Zeit diese schlimmen Dinge geschehen sind, war irgendwie heftig.

Ich war auch an dem Abend auf dem Maidan, als 2014 damals übergegriffen und mit schwarfen Waffen auf das Volk geschossen wurde. Es lief Musik, viele Menschen zündeten Kerzen an, legten Blumen und Gedichte nieder. Von jedem Opfer war ein großes Bild mit seinem Name und einem Zitat aufgestellt.

Mich hat dies alles sehr nachdenklich und traurig gestimmt und es ging mir sehr nah. Unfassbar. 

Letztendlich waren die Maidan Proteste "erfolgreich", denn Janukowitsch trat zurück und fand Asyl in Russland. Doch die Hoffnung der Bevölkerung in die neue Regierung ist bereits auch wieder geschwunden-mir wurde gesagt, dass sich die Korruption verschlimmert hätte und, dass die Menschen noch weniger zum Leben haben und es ihnen schlechter geht. Das Volk ist unzufrieden, deshalb gehen die Proteste bereits weiter...


Für mich war die Woche in Kiew sehr eindrücklich und hat mich vielerseits zum Nachdenken angeregt. 

Weiterhin freue ich mich über die neuen Kontakte, die ich knüpfen konnte und bin Gott dankbar, dass er mir so eine tolle Woche in einer so super Gemeinschaft geschenkt hat.

Es war gut und bereichernd, einmal komplett rausgerissen zu sein aus seinem Umfeld, wodurch man aus einer anderen Perspektive auf seinen derzeitigen Dienst schauen kann.

So konnte ich einmal richtig intensiv reflektieren und mir gleichzeitig vieles bewusst machen. Man glaubt es kam, aber man gewöhnt sich so schnell an sein neues Umfeld und schnell kehrt der Alltag ein. Ich habe tatsächlich manchmal irgendwie vergessen, dass ich nur einen einjährigen Freiwilligendienst mache :D So normal ist schon alles geworden. 

 

Dann hieß es auch schon wieder Abschied nehmen. Einige Freiwillige sind direkt nach Odessa weitergereist, die wir dann dort noch einmal wiedergetroffen haben. Christin und ich sind zwei Tage länger in Kiew geblieben und haben unter anderem die Hillsong Church besucht. 

 

RÜCKREISE

Dann stand auch unsere Rückreise an, die sich als überraschend aufregend gestaltete. 

In unserem Zugabteil war die Heizung kaputt. Bei -20°C Außentemperatur. Und nicht 100% verdichteten Fenstern. 

Nachts wachte ich auf, weil trotz Wolldecke und drei Pullovern mein Gesicht eingefroren war. Ich wickelte meinen Schal um meinen Kopf und drückte mein Gesicht ins Kopfkissen. So erging es uns 13 Stunden. 

Endlich angekommen in Odessa, wo uns überraschender Weise auch Schnee erwartete, bestellten wir uns 5 Uhr morgend ein Taxi. 

Das zuvor gesprochene Gebet auf der Bahnhofsbrücke, dass Gott und beschützen solle, machte sich bewährt. 

Denn vor dem Ausgang vom Bahnhof standen vier Taxen. Und gerade das am heruntergekommendste war unseres. 

Es qualmte, der Taxifahrer versuchte verzweifelt, es zu starten, während er uns hereinwinkte. 

 

Beten. Beten. Beten. 

Der Taxifahrer spricht wirr und unverständlich. Er hat eine Alkholfahne. Die Tankanzeige ist rot. Das Auto qualmt bestöndig. 

Er beschleunigt stark, um rote Ampeln zu vermeiden. Als er einmal anhält, drückt er beständig Gas und Kupplung. 

Wir nehmen es mit Humor, schließlich leben wir schon ein halbes Jahr in der Ukraine und sind irgendwie abgehärtet geworden.

Wir kommen an. Aussteigen. Alles gut. Der Taxifahrer kommt nicht mehr los. Das Auto startet nicht. Wir gehen. 

Wir sind einfach dankbar wieder heil in Odessa angekommen zu sein. 

 

Nach 14 Stunden frieren endlich Wärme.  

Direkt nach dem Seminar wurden uns gezwungenermaßen noch ein paar freie Tage aufgrund des Wetters angehängt. Wir erlebten die kälteste und schneereichste Woche des Winters 2018 in Odessa. Am Meer war alles gefroren - es sah wunderschön aus. Aber sonst glich eher alles einem Chaos. Straßen waren nicht mehr zu erkennen. Einen Schneepflug habe ich das erste Mal nach 3 Tagen Schneefall gesehen. Geschippte Fußwege-Fehlanzeige. Alles war eine pure Eisbahn oder Tiefschnee. In diesen Tagen war es tatsächlich nicht ganz ohne, sich auf die Straße zu trauen und man musste bei jedem Schritt genau achten, wo man hintritt. Am ersten Tag des Wintereinbruchs stürzten alle in die Supermärkte, um sich auszurüsten und kauften, kauften, kauften, denn in den nächsten Tagen mangelte es tatsächlich an Produkten. In Petrovka gab es sogar kein Brot mehr zu kaufen, weil kein Durchkommen mehr war, vor allem auf den Straßen ins Dorf. Die Schulen waren geschlossen und unsere Fonds teilweise auch. Letztlich war es aber nicht mehr Schnee als ich es gewöhnt bin. Dies war schon eine heftige Erfahrung. 

 

 

Genau in diesen Tagen fiel natürlich mal wieder für 24 Stunden unsere Heizung und das Warmwasser aus.

Da hieß es Pulli, Pulli, Pulli, Winterjacke und Handschuhe an, Schapka auf den Kopf und den Gasherd aufdrehen.

Wir haben alles gut überstanden und ich bin dabei sogar nicht krank geworden. 

 

Die Kälte und der Winter war echt ein Erlebnis - doch wer es glaubt, oder nicht, jetzt sitze ich gerade vor meinem Laptop, schreibe diesen Artikel und habe bereits meinen ersten Sonnenbrand.

So schnell geht das hier mit dem Wetterwechsel in Odessa.

 

Ich erinnere mich gern an diese abenteuerlichen Wintertage zurück, aber bin ehrlich gesagt schon froh, endlich wieder ohne Thermoleggins und mehreren Pullovern das Haus verlassen zu können. 

 

Ich hoffe, der Artikel war interessant für euch. 

Ich freue mich über Rückmeldungen und Updates wie es euch so geht. 

 

Danke an alle, die mich finanziell unterstützen und für mich beten. Diese Unterstützung weiß ich wirklich zu schätzen. Ich freue mich sehr darüber, denn ich weiß, dass ohne die Förderung eurerseits all das nicht möglich wäre und ich diese vielen Dinge nicht erleben könnte. 

DANKE!! 

 

Seid gesegnet und fühlt euch ganz lieb gegrüßt :)

Lea 

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Kommentare: 1
  • #1

    T.Kerstin (Montag, 30 April 2018 21:16)

    Liebe Lea ,die neuen Berichte sind sehr krass ,da kannst du froh sein daß nichts abgefroren ist ! Vor 30 Jahren war ich mit dem Zug in Kiew ,keine Ahnung wieviele Stunden die Fahrt von Berlin aus dauerte ,aber ich glaube es hat sich nichts groß verändert ,wenn ich deine bilder sehe. Ich hab die Reise in guter Erinnerung ,danach ging es nochmal eine Nachtfahrt bis Charkow .Viele Details weiß ich nicht mehr ,aber es war an meinem Geburtstag als die Reise startete ,und am 1. Mai mußten wir an der Demo in Kiew teilnehmen. So liebe Lea bleib behütet und sei gegrüßt von Erna ,Elsa .Andre und Kerstin


GEBETSANLIEGEN

 

DANKEN 

~ dass ich mich so schnell eingelebt habe 

~ dass ich mich bei meiner Stelle so wohl fühle und schon gute Freundschaften geknüpft habe 

~ dass ich bereits seit 5 Monaten gesund bin!! :) 

~ für das gute warme Wetter

~ dass das Familiencamp so bewegend und super war

~ für unseren genialen Urlaub

 

BITTEN 

~ dass ich die Sprache schnell lerne 

~ für die Gemeinschaft im Team und in den Zentren

~ für unsere vielen Sommercamps, für gute Organisation und offene Herzen 

~ für gutes Genießen der letzten Zeit, ohne, dass man mit den Gedanken schon bei der Ausreise hängt

~ für gutes innerliches Abschließen des AUslandsjahres